Rosa-Luxemburg-Stiftung

Stipendiatin Ha To-Trinh Nguyen (Foto: privat)Name: Ha To-Trinh Nguyen
Alter: 23 Jahre
Studiengang: Psychologie
Semester: 5. Semester
Universität: Maastricht University

Stiftung: Rosa-Luxemburg-Stiftung 
(Die Stiftung steht der Partei Die Linke nah.)

Logo der Rosa-Luxemburg-Stiftung

 

 

 
Wie bist du auf die Idee gekommen, dich bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zu bewerben?
Ich habe nach meinem Abitur einen Freiwilligendienst in Ecuador gemacht. In dieser Zeit hatte ich viele bereichernde Eindrücke, wodurch ich mich nochmal intensiv mit Studiengängen und den Möglichkeiten um das Studium herum beschäftigt habe. Dabei bin ich auch auf die 13 Förderungswerke gestoßen, die, im Rahmen eines Programms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), Stipendien für Studierende aller Fachrichtungen anbieten. Bei meiner Recherche hat mich die Rosa-Luxemburg-Stiftung angesprochen, da die Stiftung besonders die soziale Gerechtigkeit sowie den Ausgleich von sozial benachteiligten Menschen anstrebt, was ich ebenfalls als sehr erstrebenswert in meinem gesellschaftlichen Engagement erachte.
Wie wirst du durch dein Stipendium gefördert?
Die finanzielle Förderung besteht aus einem einkommensabhängigen Teil nach dem BAföG-Satz, der aber nicht zurückgezahlt werden muss. Zusätzlich gibt es noch eine Studienkostenpauschale von 300 Euro, die unabhängig von dem Einkommen der Eltern ist.
Die ideelle Förderung setzt sich aus einem umfangreichen Programm zusammen, das Seminare, Workshops und persönliche Beratung bietet. Besonders interessant finde ich an meiner Stiftung die diversen Arbeiterkreise, die von Stipendiaten*innen aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen und Regionen selbst organisiert werden. In den Arbeitskreisen werden Themen und Schwerpunkte festgelegt, die innerhalb der Gruppe kritisch diskutiert werden.

Zudem besteht die die Möglichkeit bei Praktika, Sprachkursen sowie Auslandsaufenthalten von der Stiftung gefördert zu werden.

Ist die Höhe deines Stipendiums abhängig vom Einkommen deiner Eltern? Was ist, wenn Eltern „zu viel“ verdienen?
Ja, die Höhe des Stipendiums ist abhängig vom Einkommen der Eltern, allerdings gibt es auch, wie zuvor erwähnt, die einkommensunabhängige Studienkostenpauschale von 300 Euro im Monat, die jede*r Stipendiat*in erhält. Aber mindestens genauso bedeutend ist die ideelle Förderung, die jede*r Stipendiat*in wahrnehmen kann – ganz unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Welche Erwartungen stellt die Rosa-Luxemburg-Stiftung an dich als Stipendiatin?
Die RLS legt viel Wert auf ein ausgeprägtes politisches bzw. gesellschaftliches Engagement im Sinne der Stiftung. Das heißt, es soll ein Engagement vorgewiesen werden, das zur Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft beiträgt. Dabei kann sich Engagement vielfältig ausdrücken. Zum Beispiel kannst du als Stipendiat*in anti-rassistische Bildungsarbeit leisten, dich in einer Fachschaft an deiner Hochschule/ Universität engagieren oder auch selbst ein Theaterprojekt initiieren, um marginalisierte Menschen zu empowern.
Ferner ist es der Stiftung wichtig, dass Stipendiaten*innen überdurchschnittlich gute schulische bzw. Studienleistungen erbringen. Allerdings berücksichtigt die RLS die persönlichen Lebensumstände und betrachtet daher die erreichten Leistungen in Relation mit dem sozialen Hintergrund.
Zudem wird von den Stipendiaten*innen die aktive Teilnahme an der ideellen Förderung des Studienwerks erwartet. Es gibt jedes Jahr zwei Regionaltreffen; an einem muss man teilnehmen. Ferner muss für jedes Studienjahr ein Jahresbericht eingereicht werden, in dem man über die akademische als auch persönliche Entwicklung reflektiert.
Was bedeutet es für dich, eine Stipendiatin zu sein?
Für mich bedeutet das Stipendium die Unterstützung meines akademischen Werdegangs.
Zum einen erhalte ich durch die individuelle Förderung neue Inputs, die mich in meinem Wissen, meinen Interessen, meinem Engagement und meiner Persönlichkeitsentwicklung bereichern. Zum anderen entlastet mich die finanzielle Förderung sehr. Dadurch muss ich nicht mehr, wie in meiner Schulzeit, nebenbei arbeiten. Ich kann mich nun mehr auf mein Studium und gesellschaftliches Engagement fokussieren. Zudem habe ich durch das Stipendium die Möglichkeit andere Studierende aller Fachrichtungen kennenzulernen, wodurch ich mich mit neuen interessanten und engagierten Menschen austauschen kann. Dieses Netzwerk ermöglicht die Unterstützung und Inspiration untereinander.
Erwähnenswert ist auch, dass es bei der RLS viele Menschen mit Migrationshintergrund gibt und ebenfalls auch Menschen, die keinen akademischen Bildungshintergrund haben. Durch diese ähnlich geteilte Sozialisierung haben wir ähnliche Schwierigkeiten erfahren und können besonders viel Empathie, Verständnis und Akzeptanz füreinander aufbringen.
Welche Ziele verfolgt die Rosa-Luxemburg-Stiftung?
Die RLS strebt an durch politische Bildung zu Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität sowie zum Ausgleich sozialer, geschlechts- oder ethnisch bedingter Benachteiligung beizutragen. Sie versteht sich der geistigen Grundströmung des demokratischen Sozialismus zugehörig. Diese Ziele bilden die Grundlage der Studien- und Promotionsförderung der RLS.
Wie verlief dein Auswahlverfahren bei der RLS? (Dauer, Ablauf, Auswahlgespräche/ Herausforderungen?
Für die RLS kann man sich selbst bewerben (man muss also nicht vorgeschlagen werden) und man durchläuft ein mehrstufiges Auswahlverfahren.
Ab dem 1. April des Jahres (für die Förderung des Wintersemesters) sowie ab dem 1. Oktober des Vorjahres (für die Förderung des Sommersemesters) wird das Onlineportal der RLS geöffnet. Im Bewerbungsformular werden Fragen zu eurer Person, Werdegang, Studiengang, Zukunftsvisionen sowie Fragen zum politischen Verständnis gestellt.
Die Vorauswahlen werden dann von Referent*innen des Studienwerks getroffen. Die vorgeschlagenen Bewerber*innen werden zum Auswahlgespräch mit einem/ einer Vertrauensdozenten*in eingeladen, die in der Regel vom Anfang Juli bis Anfang August (für den Förderungsbeginn 1. Oktober) und von Mitte Dezember bis Mitte Februar (für den Förderungsbeginn 1. April) stattfinden.
Meine Einladung bekam ich etwa Ende Mai per E-Mail und das Gespräch sollte dann im Juli stattfinden. Allerdings war ich zu der Zeit noch aufgrund meines Freiwilligendiensts in Ecuador, doch mein Vertrauensdozent bot mir an, das Gespräch über Skype zu führen. Das Auswahlgespräch empfand ich als recht entspannt. Mein Vertrauensdozent war sehr interessiert an meinem bisherigen Werdegang als auch an meinen Zukunftsvorstellungen. Zudem stellte er mir Fragen über aktuelle gesellschaftliche Geschehnisse, die nicht allzu kompliziert zu beantworten waren.
Die Zusage für das Stipendium erhielt ich Mitte September, worüber ich mich selbstverständlich sehr gefreut habe.
Ab welchem Studienjahr/Semester kann man sich bewerben?
Ich selbst habe mich für das Lux Like Stipendium beworben. Es gibt seit einigen Jahren das Lux Like Studium – Stipendienprogamm der RLS, wofür ihr euch noch vor eurer Zusage eines Studienplatzes bewerben könnt. Dieses Stipendienprogamm richtet sich an studieninteressierte Menschen, deren Eltern nicht studiert haben (ohne akademischen Bildungshintergrund). Sobald ihr eine Zusage dieses Stipendiums erhalten habt, habt ihr ein Jahr Zeit, ein Studium zu beginnen. Die Förderung startet dann mit dem Beginn eures Studiums.
Ich halte es seitens der RLS für eine großartige Gelegenheit, sozial benachteiligte Menschen zu unterstützen und somit einen Beitrag für eine chancengerechtere Gesellschaft zu leisten.  
Für das reguläre Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist die Förderung ab dem 2. Semester möglich, das heißt ihr könnt euch ab dem 1. Semester dafür bewerben.
Was bedeutet es, wenn gesellschaftliches und politisches Engagement verlangt wird? Wie engagierst du dich?
Gesellschaftliches und politisches Engagement kann sich auf sehr unterschiedliche und individuelle Art und Weise ausdrücken.
Da ich aufgrund meiner Herkunft aus einer bildungsfernen und sozial schwachen Familie mit Migrationshintergrund komme, habe ich selbst Benachteiligungen und gesellschaftliche Missstände erfahren, die ich nicht einfach akzeptieren wollte. Daher versuche im Rahmen meines Engagements zur Herstellung einer sozialeren und chancengerechteren Welt beizutragen.
Während meiner Schulzeit engagierte ich mich ehrenamtlich als Trainerin für Kinder und Jugendliche beim Kinderturnen und gab unentgeltlich Nachhilfe für eine nach Deutschland migrierte Schülerin. In meiner Oberstufenzeit setzte ich mich beim Protestcamp in Hannover für sudanesische Geflüchtete ein, indem ich mit anderen Aktivisten*innen ein Patenprojekt initiierte, welches den Geflüchteten die Integration in die Gesellschaft erleichtern sollte. Nach meinem Abitur leistete ich einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Ecuador ab. Derzeit plane ich mit einem vietnamesisch-deutschen Freund unser eigenes Projekt, um die Integration von vietnamesisch-deutschen Migranten*innen in die deutsche Gesellschaft aktiv zu unterstützen.
Wie sieht deiner Meinung nach eine erfolgreiche Bewerbung aus?
Meiner Meinung nach sollte eine erfolgreiche Bewerbung ehrlich und authentisch sein.
Ich würde sagen, dass ihr in der Bewerbung zum Beispiel prägende Erfahrungen in eurem Werdegang, eure Motivation bezüglich eures Studiengangs sowie euer gesellschaftliches Engagement darlegt. Fragt euch, warum ihr ausgerechnet als Stipendiat*in dieser Stiftung ausgewählt werden solltet. Zudem ist es essentiell, dass ihr mit den Grundwerten und Zielen der Stiftung überwiegend übereinstimmt.
Möchtest du Schülerinnen, Schülern und Studierenden – die als Erste in ihrer Familie studieren (wollen) – noch etwas auf dem Weg geben?
Habt keine Angst und Zweifel die erste Person in eurer Familie zu sein, die einen akademischen Weg anstrebt und gehen wird! Es mag am Anfang vielleicht ein beängstigendes und unsicheres Gefühl sein, aber das bedeutet nicht, dass ihr diesen Weg nicht gehen könnt. Ganz im Gegenteil! Ihr habt bereits viel erreicht, denn ihr habt trotz der sozialen Benachteiligungen es so weit geschafft und werdet auch im Studium sicherlich viel erreichen. Habt den Mut und das Selbstvertrauen in euch, auch weiterhin die Bildungschancen wahrzunehmen. Geht einen Weg, den niemand bisher in eurer Familie gegangen ist und legt euch gleichzeitig einen Weg, den ihr euch wünscht und erhofft. Dabei sollte die finanzielle Hürde euch nicht im Weg stehen.
Ein Stipendium kann euch auf diesen Weg in vielen Bereichen entlasten, unterstützen und bereichern. Daher kann ich euch nur empfehlen, euch für ein Stipendium zu bewerben!
(Interview: Juli 2018)
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